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Zwischen Himmel und Erde

Der Einsiedler Heinrich Maucher

Sechsundvierzig Hütten, zehn Kapellen, acht Glockentürme, eine Grotte und eine Kirche stehen in Heinrich Mauchers Wald im Allgäu. Alles hat der kleine und schmächtige Mann in den letzten 35 Jahren alleine und hauptsächlich mit Hammer, Nagel und Säge gebaut. Die treibende Kraft dahinter sein starker christlicher Glaube und laut Maucher: »Der Wille Gottes«.

1985 zog es ihn in die Einsiedelei, wo er seitdem ohne fließend Wasser und Strom lebt, sieben Stunden am Tag betet und die restliche Zeit mit dem Bau seiner Visionen verbringt. Es gibt kaum einen Tag, an dem Heinrich nicht arbeitet. Er fällt Bäume, entrindet sie, sägt, legt Fundamente, baut Dächer und pflanzt schließlich wieder neue Sämlinge. Ein Nehmen und Geben im Einklang mit der Natur. Kaum vorstellbar, dass dieser kleine Mann die Bauwerke alleine und ohne Gerüst, oder andere technische Hilfsmittel errichtet hat. Heinrich erzählte: »Gott gibt mir seine Kraft und hilft mir dabei.«

Seine Geschichte beginnt unweit seines Waldes. Er wächst auf einem Bauernhof im Allgäu auf. Als er 40 Jahre alt ist, stirbt seine Mutter und Heinrich geht auf Pilgerreise. Er reist nach Lourdes, Fatima, Israel, Spanien, Polen und in andere Länder, um Gott näher zu kommen. Als Heinrich mit 42 Jahren von seiner Pilgerreise zurückkehrt, stirbt auch sei Vater. Als ältester Sohn erbt er den Hof und ist alleine für Vieh und Land verantwortlich. Die Tiere werden krank und der landwirtschaftliche Betrieb schreibt nur noch rote Zahlen. Daraufhin verkauft er alles bis auf das Stück Land, auf dem er sein »Mariental« errichtet. Ihm waren die Menschen zu nah, die Gesellschaft zu viel und Gott zu weit weg.

 

Er pflanzt auf dem Areal, welches an einen Wald angrenzt, unzählige Bäume; aus diesen entwickelte sich der heutige Wald. Eine Quelle speist kleine Bächlein, die sich zwischen den Hütten entlangschlängeln. Überall sind hölzerne Tafeln mit Psalmen oder geistlichen Aussagen zu finden und die gepflasterten Wege sind geziert mit unzähligen, in Töpfen angepflanzten Buchsbäumchen. Zwischen den Hütten stehen ausgediente Holzkreuze, auf ihnen die Namen und Bilder von Verstorbenen. Die Innenräume mancher Hütten sind behängt mit christlichen Abbildungen, Kreuzen, Jesus- Figuren und Blumen. Dinge, die Besucher*innen mitgebracht haben. Denn hin und wieder besuchen Menschen aus dem Umkreis Heinrichs Ort, bringen Dinge mit und staunen mit gemischten Gefühlen über sein Werk. Heinrich selber machte den Eindruck, als wäre er gerne ganz allein, könne es aber nicht sein. 

Online Ausstellung: https://archiv.ue-germany.com/graduate/david-kern/

David Kern Fotograf

Briefkasten von Heinrich Maucher an einer Landstraße im Allgäu.

David Kern Fotograf

Ein Weg zu Heinrichs Zuhause

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Blick von Osten auf das südliche Ende von Mauchers Hüttenlandschaft.

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Heinrichs Wohnhütte aus nord-westlicher Richtung. 

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Der barfüßige Einsiedler in einer Pause während dem Ausbessern von Zäunen.

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Der Innenraum von einer der zehn Kappellen.

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Einer der acht Glockentürme zwischen ausgedienten Grabkreuzen.

Blick aus östlicher Richtung.

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Innenansicht einer größeren Kapelle mit Sitzbänken.

Ich begegne Heinrich an einem kalten Novembermorgen. Einzelne Sonnenstrahlen bahnen sich den Weg durch die dichten, im Nebel verschwindenden Baumkronen und treffen unten auf Heinrich, der barfuß damit beschäftigt ist, junge Baumstämme zu entrinden. Das stetige Schaben seines Messers, das Plätschern einer Quelle und leise Vogelgesänge sind die einzigen Geräusche, die zu hören sind. Er nimmt mich erst nach mehreren Versuchen der Kontaktaufnahme wahr, sagt kurz »grüß Gott« und vertieft sich wieder in seine Arbeit. Ich warte ab, bis er eine Pause macht, und versuche mich währenddessen auf diesen unwirklichen Ort einzulassen. Selten spricht Heinrich in ganzen Sätzen, er hat Schwierigkeiten zu Artikulieren und sein Allgäuer Dialekt macht es schwer, ihn zu verstehen. Er erzählt mir von seinen Visionen und Ideen, davon, wie er zu diesem Leben gekommen ist, und möchte von mir wissen, wie ich zum Glauben stehe. Fotografieren lassen will er sich nicht. Nach dieser ersten 

Begegnung verschwindet er in seiner Hütte, um zu beten. 

Zwei Stunden später entdecke ich ihn wieder zwischen den Hütten und Bäumen. Der kleine Mann läuft unentwegt hin und her, um Holz hierhin und dahin zu transportieren. Später am Tag arbeitet Heinrich an einem Zaun am Waldweg, der zu seinem »Gnadenort« führt. Er zieht alte Pflöcke aus dem Boden, versengt neue und bringt darauf die geschälten Stämme an. Ich biete ihm meine Hilfe an, als ich sehe, wie der 80-jährige sich an einem Pflock, der besonders tief im Boden steckt, abmüht. Dankend nimmt er mein Angebot an. 

Durch die gemeinsame Arbeit öffnet Heinrich sich. Er erzählt mir von seinen Befürchtungen, was unsere Gesellschaft, das Geld und das System betrifft. Schließlich lässt er sich für einen Augenblick auf mich und die Kamera ein. Ich bedanke mich, dann zieht er wieder los, um vom anderen Ende seines Waldes neues Holz zu holen. 

 

Heinrich Maucher wird zwei Wochen nach dieser Begegnung tot aufgefunden.

Er liegt friedlich mit einem Rosenkranz auf der Brust in seiner Waldhütte, zwischen Himmel und Erde.

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Der Einsiedler auf dem

Mittelgang seines Grundstücks.

Stillleben in einer der sechsundvierzig Hütten auf Mauchers Grundstück.

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Heinrich beim Ausbessern eines Zauns,

in der Auffahrt zu seinem »Gnadenort«.

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Schuhe des Eremiten. 

Bach im nördlichen Teil des Waldgrundstücks.

Eine kleine Quelle speist mehrere solcher Bächlein.

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Blick auf eine Bachkreuzung im nördlichen Teil der Eremitage. 

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Gekipptes Fenster im Obergeschoss

der Wohnhütte von Heinrich Maucher.

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Heinrich Mauchers Füße.

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Bildnis an der Außenwand einer Hütte im Zentrum des Grundstücks.

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ZWISCHEN HIMMEN UND ERDE - Der Einsiedler Heinrich Maucher

Oben zu sehen ist ein Ausschnitt der Serie.

90g/qm Zeitungspapier

28x38cm

4/4-farbig

40 Seiten

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